Endlich wieder England

Der Mittelteil des Reisesommers 2023 zwischen Podstock, Stratford und CCCamp23.

Die Vorgeschichte

Ich muss zugeben, nach dem Brexit habe ich eine ganze Weile geschmollt und England boykottiert – die Politik, nicht die einzelnen Menschen dort, die noch immer mit uns Europäer:innen reden wollen. Nach dem Anglistikstudium mit Schwerpunkt Literatur- und Kulturwissenschaft fühlte ich mich um einen ganzen Teil meines Lebens betrogen. Zuletzt war ich 2016 in London, als ich mich hab scheiden lassen. Und nachdem es sich dort an meinen Lieblingsplätzen so anfühlte wie in Wien, dachte ich, ich kann auch noch eine Weile hier in Wien bleiben; in der Rückschau war das wohl auch ganz gut so.

Letztes Jahr habe ich – angestiftet von Fenna Williams – einen Sommerkurs „Family Writing“ (online) an der Uni Cambridge gemacht und war sofort angefixt. So sehr, dass ich mich für ein ganzes Jahr Creative Writing dort einschreiben wollte. Ich hatte letztes Jahr sogar schon eine Einladung vom Studiengangsleiter, aber leider hat es finanziell nicht geklappt. Jetzt geht es allerdings tatsächlich im Oktober los und ich freue mich schon sehr darauf.

Für die Mörderischen Schwestern hat Fenna dieses Jahr ein Schreibretreat in Cambridge organisiert, gefolgt von einem Theaterwochenende in Stratford-upon-Avon. Nach der Studienerfahrung letztes Jahr und der Aussicht auf Oktober wollte ich unbedingt mit. Und es war die beste Entscheidung diesen Jahres.

Madingley Hall

Verspäteter Flug, die ersten Kolleginnen in Heathrow am Gepäckband getroffen, Upgrade bei der Autovermietung auf einen überdimensionalen SUV (die Menschen dort wollten uns was Gutes tun – yeah, well …), irgendwann am Abend endlich: Cambridge. Madingley Hall, um genau zu sein. Ein Haus aus dem 16. Jahrhundert, das samt Ländereien seit 1948 der Universität Cambridge gehört. Tatsächlich ist in Madingley Hall das ICE, das University of Cambridge Institute of Continuing Education angesiedelt, also das Institut, an dem ich im Oktober das Studium anfange. Und tatsächlich war das Ankommen dort ein bisschen wie nach Hause Kommen. Vor Ort kamen dann auch alle zusammen, die beim Schreibretreat dabei waren; insgesamt 15 Autorinnen.

Cambridge

Der Montag begann mit Frühstück im Saal von Madingley Hall – und ja, Harry Potter und die langen House Tables waren sehr präsent in meinem Kopf. In unserem Fall waren es allerdings nur drei. 😉 Danach waren wir dann in verschiedenen Kleingruppen unterwegs in Cambridge – für mich war es das erste Mal dort. Irgendwie zwischen Universitätsstadt und Touristenhochburg. Charmant, aber auch kein sonderlich günstiges Pflaster. Eine neue WeekendTasse musste natürlich trotzdem mit und das Schaf hat auch einen Cambridge-Pullover bekommen. Ich hab mir ein T-Shirt gekauft, aber ein Pullover kommt erst mit, wenn ich dann am Studieren bin und vielleicht (hoffentlich) doch mal vor Ort sein muss. Und natürlich haben wir auch mit ein paar Autorinnen einen Pub aufgesucht.

Montagabend war das erste Highlight: ein gemeinsames Abendessen in Madingley Hall mit Cressie und Sara, die in UK Reading-Retreats organisieren. Es war großartig, sowohl das Essen als auch die beiden Frauen. Und die Idee, Häuser zu mieten, Menschen zu bekochen, die dann vor Ort drei Tage nichts anderes tun als Lesen, finde ich so schön. Auch, dass sich Cressie für jede:n Gast vorab zwei Stunden für ein Telefonat Zeit nimmt und dann eine „Reading Prescription“, also ein Lese-Rezept erstellt, finde ich hinreißend. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr im Oktober mit einem Reading Retreat für mich klappt! Ich habe schon eine Sparbüchse dafür angelegt.

Grantchester

Dienstag waren wir zum High Tea in Grantchester. Nein, die Serie habe ich noch nicht gesehen, aber sie ist auf der Liste. High Tea im Orchard Tea Garden war so schön – und super lecker. Natürlich mit Sandwiches und Scones. Und in dem Garten waren sie alle, von Virginia Woolf bis Wittgenstein. Und ich verstehe auch, warum. Es ist einfach ein wirklich wundervoller Ort. Hunter dem Garten ist eine langgezogene Wiese, jetzt ein Sportplatz, und dahinter fließt die Cam.

In der kleinen Perish Church waren wir noch, die wirklich sehr hübsch ist, inkl bemalter kleiner Orgel. Spannend fand ich, dass man dort auch digital spenden kann, also es ein Bezahlterminal gibt, wo man kontaktlos Geld spendet. Wie mittlerweile überall in England, inkl. bei Straßenmusiker:innen.

Zurück in Madingley Hall erwartete uns eine kleine Schnitzeljagd in der Library. Fenna und ich hatten dem Studiengangsleiter ein Foto als lieben Gruß geschickt und er fragte, ob wir denn auch den Zeitzeugen gesehen hätten der verrät, dass die Bibliothek vor hunderten von Jahren mal die Küche war. Also wieder zurück in die Bibliothek und tatsächlich ist dort wirklich ein Backofen nebem dem Kamin. ;D

Cambridge am Abend

Dienstag Abend war ich dann wieder in Cambridge, Sarah, eine liebe Bekannte noch aus alten Forenzeiten treffen, die seit einigen Jahren zwischen London und Cambridge wohnt. Wir haben uns einfach durch die Stadt treiben lassen, haben etwas gesucht, wo noch Platz war, dass wir etwas zu Essen bekommen und dann waren wir noch in einer Bar, die Sarah auf dem Hinweg gesehen und für interessant befunden hatte.

Ely

Mittwoch war Ausflugstag, es ging nach Ely und in die Fenns. Die Kathedrale von Ely ist wirklich überwältigend schön. Was mich besonders beeindruckt hat war, dass man an den gemeißelten Türrahmen den Übergang von keltischem zu katholischem Christentum sehen kann. Die älteren hatten noch keltische Muster und Knoten, die ca. 50 Jahre jüngeren dann mythische Motive, auch Tierkreiszeichen und Anderes. Und die hölzerne „Lantern“ („Laterne“) über der Vierung ist wirklich sehenswert und einzigartig. Die angrenzende Marienkapelle fand ich ebenfalls sehr beeindruckend, insbesondere die Marienstatue mit den erhobenen Armen und den goldenen Haaren.

Die Fenns & die Waterways

Nach dem (auch wieder sehr guten) Essen ging es weiter in die Fenns, wo wir mit einem Narrowboat über die Waterways gefahren sind, die damals wohl von den Römern ins Schilf geschnitten worden sind und seither einen erheblichen Stellenwert im Leben der Menschen in den Fenns haben. Die Steine für die Kathedrale von Ely wurden über die Waterways transportiert, aber auch so waren sie immer einer der Hauptverkehrswege.

Cambridge again

Donnerstag – der freie Tag, an dem ich nochmal in Cambridge war, ein bisschen die Unistadt-Atmosphäre atmen. Diesmal bin ich auch selbst mit dem Mietwagen bis zum Park&Ride gefahren. Abends kam noch eine Studienkollegin von Fenna dazu und wir waren im Three Horseshoes Pub – auch wieder großartiges Essen und super spannende Gespräche mit einer tollen Frau, die auch schon viel gesehen hat. Und ein Abschluss des ersten Teils der Reise.

Am Freitagmorgen ging es dann für einige schon wieder nach Hause, die übrigen fuhren mit drei Autos weiter nach Stratford-upon-Avon. Zu dem Zeitpunkt war ich schon richtig gut darin, vom Beifahrersitz aus zu navigieren (die Anweisungen des Navis in „3d“ übersetzen), sodass die Fahrerin sich auf den Verkehr „auf der anderen Straßenseite“ konzentrieren konnte.

Mehr Cambridge-Content wird die nächste Zeit durch das Studium in Creative Writing kommen. Vermutlich weniger touristisch und dafür mehr schreib-relevant. ;D

Reisesommer2023, Teil1: Podstock
Reisesommer 2023, Teil 2: Cambridge
Reisesommer2023, Teil 3: Stratford-upon-Avon
Reisesommer2023, Teil 4: #CCCamp23

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