Shakespeare überall in Stratford-upon-Avon
Die drei Tage in Stratford-upon-Avon haben sich einen eigenen Blogbeitrag verdient. Ich war selten so begeistert wie dort, insbesondere von der Royal Shakespeare Company. Ich hatte ja schon vorab überlegt, welches Schreibprojekt ich mir für die Zeit mitnehme, woran ich in England arbeiten möchte. Tatsächlich habe ich eine „Shakespeare-Fanfiction“ in der Schubladen, die allein schon eine lange Geschichte hat, warum sie in der Schublade liegt. Aber fangen wir am Anfang an, auch wenn die Ankunft schwierig war.
Wir waren eine gute Stunde früher in Stratford, als die Zimmer im Pen & Parchment Pub für uns fertig waren. An sich wäre das kein Problem, allerdings schwammen die Menschen dort gerade – ein Problem, das wir die nächsten Tage noch mehrfach an quasi jeder Stelle in der Stadt gesehen haben. Inkl. einfach nicht auftauchender Menschen, die eigentlich an dem Tag hätten dort arbeiten sollen. Irgendwann konnten wir uns drinnen einfach hinsetzen und warten, bis wir in die Zimmer konnten.
Danach ging es auf eine erste Expedition in die Stadt. Klein, fast alles fußläufig erreichbar und gleich im ersten Anlauf haben wir versehentlich Shakespeare’s Birthplace gefunden. ;D
Abends waren wir dann alle auf der Dinner-Cruise. Eigentlich wollte ich gar nicht mitfahren, aber es waren noch Plätze frei und dann war ich doch mit dabei. Es war – wieder mal! – super lecker und die Fahrt den Avon entlang durch einige Schleusen zu einem kleinen Wasserfall und wieder zurück war auch toll.
Theater-Tag
Der Theatertag war super. Soviel besser, als ich es mir vorgestellt hatte. Nach dem Frühstück im Pen & Parchment von einem super netten Koch ging es einmal über den Platz zur Royal Shakespeare Company (RSC). Ich hatte tatsächlich und ganz absichtlich vorab nicht nachgelesen, was wir uns anschauen auch nicht, wer spielt. Und dann war ich damit beschäftigt, mir Mühe zu geben, vorherige Aufführungen zu vergessen. ;D Ich wusste, dass bei der Royal Shakespeare Company die besten Schauspieler:innen der Welt sind, aber wow, war ich ahnungslos, WIE GUT sie sind.
Unwrapped-Session zu As You Like It
Der Vormittag gehörte der Unwrapped-Session von As You Like It. Ich war noch nie in einer Unwrapped-Session, also wartete ich sespannt darauf, was nun kommen würde. Tatsächlich saßen wir im Royal Shakespeare Theatre, vom Aufbau wie das Globe in London, allerdings mit vollem Dach, elektrischer Beleuchtung, Soundanlage und allem, was ein modernes Theater sonst so hat. Reihe Vier. Auf der Bühne waren vier Personen: Die Regieassistentin und Stagemanagerin (wenn ich es richtig verstanden habe), die Leiterin des Fortbildungsangebots der RSC und zwei junge Schauspielende, Mogali Masuku, die Understudy der Rosalind (auf Deutsch wäre es wohl die „Zweitbesetzung“, wobei das Wort mMn eine eher negative Konnotation hat, im Englischen ist es mehr der aufstrebende Star) und Tyreke Leslie, der Understudy vom Orlando. Beide schwarz, beide jung, beide großartig.
Zuerst ging es um das Set, in dem sie das Stück spielen. Director Omar Elerian hat sich etwas Besonderes ausgedacht. Eben nicht der Wald mit Bäumen etc., sondern das Set ist ein Probenraum. Und sie spielen das Stück nicht im Kostüm, sondern vorwiegend in zivil. Im ersten Teil bis zur Pause sind auch alle Schauspielende durchgehend auf der Bühne – sie spielen sich selbst, quasi. Und das macht verletzlich, angreifbar. Aber ist, wie wir erfahren haben, auch eine bereichernde Erfahrung für alle. Fehler sind plötzlich erlaubt und Teil des Stücks. Ausprobieren ist Teil des Stücks.
Und dann haben sie ausprobiert. Haben eine Szene (die, in der Orlando eine Stunde zu spät zu einer Verabredung kommt) immer wieder gespeilt in verschiedenen Stimmungen etc. Einmal wurde er als Schauspieler gefragt, warum sein Charakter Orlando denn zu spät wäre? Wie ist denn die Vorgeschichte der Szene? Und dann sollten sie es spielen mit einer Tier-Qualität wie ein Hase, dann wie eine Tigerin. Dann durfte das Publikum sagen, wie gespielt werden sollte und die Version „make it Italian!“ war so großartig! Mit großen Gesten und angedeutetem Akzent.
Es war einfach super. Und ich habe dort und auf der Stelle etwas über die Zusammenarbeit von Schauspielenden und Schreibenden gelernt. Als sie davon sprachen, was Orlando denn vorher gemacht haben könnte, warum er zu spät war, haben sie darüber diskutiert, wie das die Szene verändert. Und dass sie das bei allen möglichen Szenen immer wieder so durchsprechen – genauso, wie mir berichtet wurde, dass die Schauspielenden mein erstes Stück durchgesprochen haben, woher die Figur das jetzt weiß oder was genau grad vorher passiert ist. Ich schwebte nach Ende der Session aus dem Raum. Ich habe etwas für’s Leben und für’s Schreiben gelernt.
As You Like It
Nach einer Pause im Café unten in der RSC haben wir uns die Matinee Vorstellung von As You Like It angeschaut. Ich kann spoilern: Es war die BESTE Inszenierung, die ich je gesehen habe. Von diesem Stück aber auch insgesamt. Ich habe mehrfach geheult, weil es so großartig war. Aber vielleicht der Reihe nach.
Das Stück beginnt im Probenraum, es kamen alle nacheinander in zivil auf die Bühne, dann gab es eine kleine Einleitung vom Oliver-Darsteller, insbesondere mit der Info, dass dies fast der gesamte Cast ist, der das Stück bereits 1978 gemeinsam gespielt hat. Bis auf ein paar Schauspielende, von denen auch bereits einer verstorben ist, der jetzt 114 Jahre alt gewesen wäre. Für diese sind einige junge Menschen nachgerückt. Ich war total baff – die Überraschung hatte ich mir dank Nicht-Nachlesens bewahrt! Und bin bis jetzt sehr glücklich darüber. =) Es spielen also alles ältere Menschen die im Stück jungen Rollen und die neu nachgerückten jungen Menschen spielen die im Stück älteren Rollen – WIE GROSSARTIG!!! No colour on stage, wie es immer heißt. Und offenbar auch no age on stage! Und das wirklich Umwerfende war, dass man im Spiel absolut nichts davon gemerkt hat. Es hat keine zwei Minuten gedauert, bis trotz zivil und nur minimalsten Requisiten nicht mehr auffiel, wo die Figuren waren oder wer sie gespielt hat. Es war ein fließender Übergang, ein Abtauchen in das Stück und es war großartig.
Was ich auch wieder wunderschön fand ist, dass in England die Lieder tatsächlich gesungen werden. Auf Deutsch habe ich nur erlebt, dass irgendwer die Liedtexte als Text runtersagt, aber nie, dass sich jemand eine Melodie dazu ausgedacht und das Ganze als gesungenes Lied inszeniert hat. Mitreißend.
Aus dem Globe kannte ich es auch schon, dass von oben immer mal wieder Figuren gekommen sind, Ariel, der an einem Seil „fliegt“, etc. Was ich aber noch nie gesehen habe und was mir instantan die Tränen in die Augen trieb war, als sie während des Lieds kurz vor der Pause dann eine komplette Bühne mit drei Musikern und einem Schlagzeug abgeseilt haben. Und unten spielte ein Gitarrist zwischen den Schauspielenden – Andy Davis, der mit John Lennon in den 1970ern das Imagine Album aufgenommen hat! Es war der Hammer!
Zum Glück war dann erstmal Pause, dass ich mich wieder sammeln konnte. Im zweiten Teil wurde es dann etwas verflochtener, es waren nicht mehr durchgehend alle Personen auf der Bühne, aber nach wie vor zivile Kleidung und nur minimale Props. Kurz vor Schluss kam Rosalind dann im „alten“ Bühnen-Kleid herein und die Rückwand der Bühne fuhr hoch, dahinter der Wald. Die Schauspielenden spielten den Schluss, Nebel kam auf und dann „fror die Szenerie ein“. Vom Band kam dann den Schluss von 1978 wie ein Echo des gerade Gesagten. Ich heule grad schon wieder, weil es einfach so wunderschön war. So mitreißend und so eine wundervolle Umsetzung. Es war wirklich die beste Aufführung meines Lebens.
Vor allem hat mir das Stück auch wieder gezeigt, dass Shakespeare die Stücke für’s Spielen, nicht für’s Lesen geschrieben hat. Und die Schauspielenden dort sind einfach Weltklasse. Dass ich das sehen und erleben durfte, ist für mich ein so großes Glück. Die vorletzte Vorstellung dieser Produktion haben wir gesehen, am Abend war die letzte.
Nachher waren wir im Rooftop Restaurant und haben dort gegessen. Und zwischendrin nochmal in den Shop, aber da hatte ich schon alle Bücher gekauft, die ich mitnehmen wollte. Und das Programmheft gab es leider nicht mehr. :/
Falkland Sound
Abends waren wir dann in der Vorpremiere von Falkland Sound. Das Stück läuft im Swan Theatre, im gleichen Gebäude, anderes Ende, kleinerer Saal, der vom Aufbau dem Wannamaker-Playhouse in London gleicht und wohl dessen Vorlage als „Winter-Theater“ war. Mit Dach und allem. ;D Auch hier wieder mit mehr Elektrik drin als die Londoner Theater.
Das Stück spielt Anfang der 1980er auf den Falklandinseln während des Falklandkriegs. Man lernt die lokale Bevölkerung kennen, ein paar Sitten, einzelne Menschen, ihre Träume und was der Krieg mit ihnen gemacht hat. Mit der gesamten Community gemacht hat. Auch hier wieder: großartig umgesetzt. Die Besatzung visuell unterstützt von Maschinengewehren, die von oben abgeseilt werden und die Handelnden auf der Bühne „umstellen“. Und die Schauspielerin, die die Margret Thatcher spielt – einfach großartig. Wow, hatte ich Gänsehaut. Und auch wenn das Stück nicht leicht war, nicht erbaulich, absolut keine leichte Kost, bin ich sehr froh, es gesehen zu haben. Es war auf eine andere Weise heilsam.
Ich glaub, aus Falkland Sound unbefleckt rauszugehen und nicht darüber nachzudenken, was rechtes Gedankengut und politischer Willen mit einer Gesellschaft anrichten können, zeugt von einer Verrohung, die wir uns als Gesellschaft nicht leisten wollen dürfen.
The Dirty Duck
Nach dem Theater-Marathon ging es zum krönenden Abschluss ins Dirty Duck. Auf dem kurzen Fußweg hatte ich mich weitestgehend wieder im Griff und den Wimperntusche-Panda ausreichend verwischt. Wir waren noch keine zwei Meter weit drinnen, standen wir auch schon neben dem jungen Orlando vom Vormittag und die junge Rosalind kam uns entgegen – die Chance, ihr Danke zu sagen, habe ich natürlich genutzt. Der Cast von As You Like It hatte hinten im nächsten Raum die Abschlussfeier des Stücks. Auf zur Bar und einen halben Pint bestellt, einen ganzen bekommen. Das fängt ja gut an.
Wir saßen zu fünft am Tisch, zwei gingen irgendwann, das übrige Getränk teilten wir verbliebenen drei uns noch und das zusammen mit dem ganzen Pint Ale reichte, dass ich mich traute, nach hinten zu gehen. Die anderen beiden kamen mit. Und auch das war so zauberhaft. Ich sagte, dass sie 11 Autorinnen im Publikum sehr glücklich gemacht haben und sie freuten sich sehr. Maureen Beattie, die Darstellerin der Ceilia fragte, was wir denn schreiben und ich erzählte von meinem ersten Theaterstück und wieviel ich heute gelernt hätte über das Zusammenspiel von Schreibenden und Schauspielenden und dass das Ganze die Magie in sich trägt. Und dass ich hoffe, irgendwann etwas zu schreiben, das auch von so großartigen Personen wie ihr und dem Cast gespielt würde. Und sie freute sich total und meinte, warum denn nicht? Und dass das heute ja alles viel schneller geht als früher. =D Ich glaube, sie wollte nett sein, aber es hat mich trotzdem total aufgebaut. Dann fragten die beiden Autorenkolleginnen Geraldine James, die Darstellering der Rosalind, wie es denn wäre, in zivil zu spielen und ob das was mit ihr als Schauspielerin macht. Und sie sagte, sie sei sonst so ein unglaublich nervöser Typ, aber dies wäre die erste Produktion, bei der sie nie nervös gewesen wäre. Dann kam noch Malcolm Sinclair, der Darsteller des Orlando, dazu und wir wechselten noch ein paar Worte zu Stratford und wie es ist, in der RSC zu spielen. Und dann wollten wir sie auch nicht weiter von ihrer Abschlussfeier abhalten. Und nein, wir haben uns keine Autogramme geben lassen und im Nachhinein frage ich mich auch, wieso.
Auf dem Weg nach draußen noch der Chefin des Fortbildungsprogramms für die tolle Unwrapped-Session gedankt und dann gingen wir völlig selig heim.
Auf Shakespeares Spuren
Am Sonntag waren die anderen dann unterwegs in den Cotswolds und ich bin nochmal tiefer in Stratford eingetaucht.
Shakespeare’s Birthplace
Der Koch im Pen & Parchment war auch am Sonntag wieder super. Nachdem das Porridge aus war, gab es für mich wieder Pancakes. Dann ging es los, die anderen in die Cotswolds, ich in das Städtchen. Meine Karte für Shakespeare’s Birthplace war erst für 12:00 Uhr, also habe ich mich noch ein bisschen rumgetrieben, mir Henley Street angeschaut und bin dann gegen halb zwölf hin und hab gefragt, ob ich schon rein kann. Ging erfreulicherweise. Also startete ich meine Tour im Shakespeare Center, wo auch schon eine Ausstellung ist. Von dort geht es durch den Garten weiter in das Geburtshaus.
Skakespeare’s Birthplace ist leider sehr touristisch und man wird eher durchgeschleust. Ich hatte Glück und war noch vor dem großen Ansturm da. So konnte ich auch ein bisschen mit den Menschen vor Ort reden, die das Haus erklären und wie es hier früher wahrscheinlich ausgesehen hat. Eigentlich waren es ursprünglich drei einzelne Häuser, von denen Shakespeares Vater zuerst nur das rechte besessen hat. Unten war seine Handschuhmacher-Werkstatt, das Gerben des Leders fand draußen vor der Stadt statt, vermutlich in großen Becken, mit denen mehrere Gerber gearbeitet haben. Oben im Haus wohnte die Famile. Shakespeares Vater kaufte dann das benachbarte Haus und verband die beiden Häuser durch einen Anbau (eigentlich eher Zwischenbau) zu einem. Schon hatten sie ganze vier Zimmer, was damals schon ein gewaltiger Luxus war. Und später kaufte er auch noch das dritte Haus und die Familie Shakespeare hatte tatsächlich sechs Zimmer! Mit den Verbindungsbauten sogar ein bisschen mehr, so verwinkelt wie das war, hätte ich mir schon zwei oder drei Lese-Nooks gefunden. ;D Und ich kann mir auch vorstellen, dass die Kinder verteilt im Haus geschlafen haben, als sie alt genug waren.
Zur Welt gekommen ist Shakespeare wahrscheinlich in dem Raum oben links im Bild, wo das elterliche Schlafzimmer war. Nicht im Bett, denn Betten waren die teuersten Möbel damals. Stattdessen wohl auf dem Boden vor dem Kamin. William Shakespeare war das erste überlebende Kind, die beiden älteren Schwestern sind beide im frühen Kindesalter gestorben.
Der Steinfußboden unten im Haus ist wahrscheinlich original aus der Zeit, als Shakespeare in dem Haus Krabbeln lernte. Der Mensch, der die Einführungs-Infos am Eingang gab, sagte, ich soll ein Foto von meinen Füßen auf dem Boden machen, ich wandele jetzt auf Shakespeares Spuren. Und er wies zeitgleich darauf hin, dass es so hell damals nicht in dem Haus war. Die Fenster waren viel kleiner und sind erst später durch größere ersetzt worden, als das Haus eine lange Zeit ein Pub war. Zu Shakespeares Zeit kamen Glasfenster gerade erst auf, davor wurde meist geölter oder gewachster Stoff vor die Fenster gespannt, um Regen und Kälte abzuhalten. Bei den Shakespeares gab es schon früh Glasfenster, aber sie waren halt winzigklein.
Dass es mit Frischluft und Licht in den Häusern im 16. Jahrhundert nicht weit her war, sieht man auch an den Betten, wo die Menschen nicht flach drin lagen, sondern an dicke Rosshaar-Kissenrollen gelehnt geschlafen haben. Flach liegend konnten sie schwer atmen. Nur damals wussten sie noch nicht viel von Rauch und Ruß und Ablagerungen in der Lunge, also hatten sie es den Teufel in Verdacht, der sich im Liegen auf den Brustkorb setzt und sie schliefen quasi im Sitzen.
Das ausziehbare Toddler-Bett war für drei, vielleicht auch vier Kleinkinder gedacht, die dort schliefen, bis sie in der Lage waren, alleine unfallfrei mit einer Kerze durch’s Haus zu gehen. Und man sieht daran auch die Bettkonstruktion mit einem Seilgeflecht, auf das mehrere „Matratzen“ kamen; eher Säcke gefüllt mit Stroh, mit Heu … Die Pflöcke an den Seiten sollten die Matratzen auf dem Bett halten, dass sie nicht rausrutschen.
Im Raum oben rechts sieht man heute die Fenster aus dem Birthroom, die irgendwann ersetzt wurden, weil die bisherigen vollgekritzelt waren von allen möglichen Leuten, die im 19. Jahrhundert das Geburtshaus von William Shakespeare sehen wollten und sich selbst dort verewigten; der früheste Eintrag ist von 1806. Es waren auch hier wieder alle großen Dichter und Denker ihrer Zeit dabei, von Walter Scott bis Thomas Carlyle; die Unterschrift von Henry Irving wird besonders hervorgehoben. Damals haben sie auch noch die Wände und die Decke beschrieben, als die Fenster voll waren und um 1860 wurden Besuchende schon gebeten, sich in ein Gästebuch einzutragen, statt an die Wände zu schreiben.
Die Geschichte des Hauses ist durchaus bewegt. Es wuchs und veränderte sich zusammen mit seinen Bewohnern. So wurden nicht nur drei Häuser zu einem, mit der wachsekden Familie kam auch ein Anbau an der Rückseite des Hauses dazu, in dem Shakespeare und seine Frau Anne Hathaway vermutlich als Jungverheiratete gelebt haben, ehe sie nach New Place zogen. Später wohnte dort seine Schwester mit ihrem Mann. Nach Shakespeares Tod ging das Haus in der Henley Street an seine Tocher Susanna, die den Großteil vermietete. Der rechte Teil des Hauses wurde zu einem Pub, dem Swan and Maidenhead Inn. Und später im 18. Jahrhundert wurde das Gebäude in vier kleine Reihenhäuser (Terraced Cottages) geteilt.
Kurzum, Shakespeare’s Birthplace ist auch trotz Touristenströmen sehr informativ und man bekommt ein Gefühl dafür, wie es dort ausgesehen haben könnte. Ich werde auch wieder hinschauen, wenn ich nochmal nach Stratford komme.
Danach habe ich Pause gemacht und endlich mal ein paar Postkarten geschickt, was ich sonst immer vergesse.
New Place und die Maulbeerbäume
Dann weiter nach New Place, was leider als Haus nicht mehr steht, aber die Anlage und der Garten sind wirklich wunderschön gemacht. Ich lief versehentlich direkt in eine Führung rein und hörte mir die ungeheuerliche Geschichte an, warum es das Haus nicht mehr gibt. Den Menschen, der es abgerissen hat, um an der Stelle um 1700 rum ein Prachtanwesen hinzustellen, kann ich schonmal nicht leiden. 😉
Die Dame erzählte auch von den Maulbeerbäumen, besonders dem einen, den Shakespeare selbst im Garten von New Place gepflanzt hat – wohl ein königliches Geschenk an ihn. Und den Baum hat der Typ damals auch fällen lassen, als immer wieder Menschen hinkamen, die den Baum sehen wollten, den Shakespeare selbst gepflanzt hatte.
Funfact: Ich hatte schon vor dem Sommer dem Fellow Nerd gesagt, dass ich gern einen Maulbeerbaum hätte und auf dem schwarzen Brett vom Podstock hatte ich nach einem Steckling gefragt (aber keinen bekommen). Ich schwöre auch, ich wusste bis zu dem Sonntag in New Place nicht, was für eine große Sache diese Maulbeerbäume bei Shakespeare waren! Grad vorher hatte ich dem Fellow Nerd noch begeistert vom Birthplace aus geschrieben, dass da ja ein Maulbeerbaum steht! Und dann das. Haus abgerissen, Maulbeerbaum gefällt … Der Typ hat sich bei mir echt nicht beliebt gemacht. So sehr nicht, dass ich direkt seinen Namen wieder verdrängt hatte und jetzt in den Fotos der Infotafeln nachschauen muss: Sir John Clopton, so hieß er.
Immerhin gab es findige Menschen, die das damals auch schon nicht toll fanden und vom gefällten Baum noch Stecklinge nahmen und so gibt es heute auch wieder Maulbeerbäume im Garten von New Place. Einen aus einem Steckling von Shakespeares Baum und einen, den eine Schauspielerin gestiftet hat. Ich hab von beiden eine Maulbeere gegessen, nachdem die gerade reif waren und massenweise auf dem Boden lagen. (Und möglicherweise habe ich auch ein paar Samenkörner eingepackt.)
The First Folio
Drinnen im Nachbarhaus ist die Ausstellung; in diesem Jahr mit Schwerpunkt um das First Folio, die erste gedruckte und gebundene Ausgabe von 36 von Shakespeares Werken, die sieben Jahre nach Shakespeares Tod von zwei seiner Freunde, John Heminges und Henry Condell, herausgegeben wurde. Das war 1623, also vor 400 Jahren. Ich hab mich auch in die ausliegende Kopie des First Folio eingetragen. Nicht so cool, wie in eine Fensterscheibe ritzen und danach groß rauskommen und berühmt werden, aber hey. ;D
Ausklang
Eigentlich wollte ich danach noch zur Holy Trinity Church, wo Shakespeare begraben ist, aber erstmal musste ich einen Happen essen – mehr als zwei Maulbeeren – und so saß ich dann im Garrack Inn, dem ältesten Pub in Stratford, das schon seit frühester Zeit ein „haunted place“ ist. Nach einem Feuer in den 1490ern (kein Typo), soll man einen Jungen noch immer auf dem Dachboden spüren, wo er damals eingeschlossen verbrannte. Und seine Freundin hört man unten im Erdgeschoss noch nach ihm rufen. Sagt man. Und die Tafel, neben der ich gesessen und gegessen habe. Auf jeden Fall auch Stoff für Geschichten.
Danach wollte ich nur eben meine Sachen ins Pen & Parchment bringen, und dann war es schon fast 18:00 Uhr und so habe ich es nicht mehr in die Holy Trinity Church geschafft. Und auch nicht zu Anne Hathaway’s Cottage. Was sehr schade ist, aber alles geht wohl nicht. Immerhin ist das Story-Ticket ein ganzes Jahr gültig und jetzt muss ich wohl bald mal wieder hinfahren. ;D
Den Abend habe ich jedenfalls mit einer Shakespeare-Biographie verbracht und vor Ort über seine Jahre in Stratford gelesen. Das war auch sehr schön.
Abschied
Der Abschied am Montagmorgen fiel schwer. Aber schließlich ging es dann doch zurück nach London, das Miet-Biest zurückgeben, dann nach Heathrow. Ich hatte für den Rückflug ein Businessclass-Ticket wegen des erwarteten Übergepäcks, aber tatsächlich hat alles in nur einen Koffer gepasst. Ich hab eindeutig zu wenig Bücher gekauft, wenn noch alles in einen Koffer ging. ;D Dennoch habe ich es gehörig ausgekostet, das erste Mal in meinem Leben in einer Lounge rumzusitzen und mich dort durchzufuttern – nicht, dass die Woche vorher nicht kalorienreich genug gewesen wäre. Schließlich ging irgendwann auch der Flug, ich habe nicht noch den Harrods-Laden am Flughafen leergekauft und auch nicht die Schreibwarenabteilung.
Irgendwann nach Mitternacht und nach einem technischen Problem mit der Schranke am Flughafen, die der Fellow Nerd dann mit dem technischen Helpdesk irgendwie debuggt hat. war ich dann zu Hause und hatte wieder vier Tage Zeit, denn dann ging es weiter zum #CCCamp23 nach Mildenberg, nördlich von Berlin.
Reisesommer2023, Teil1: Podstock
Reisesommer 2023, Teil 2: Cambridge
Reisesommer2023, Teil 3: Stratford-upon-Avon
Reisesommer2023, Teil 4: #CCCamp23
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