Fediventskalender2023
Für den #Fediventskalender2023 habe ich für euch eine Geschichte rausgesucht, die ich vor 20 Jahren geschrieben habe. Für ein paar besinnliche Momente in der für viele stressigen Vorweihnachtszeit. Viel Spaß damit – und ein paar ruhige Minuten.
Eine Kerze im Advent
Jetzt steh’ ich hier und warte, warte ebenso wie ihr darauf, dass es adventlich wird.
Aber, was genau ist dieses „Advent“ eigentlich? Ich habe überall Menschen durch die Straßen hetzen sehen auf der Suche nach möglichst teuer erscheinenden Dingen für möglichst wenig Geld – es hat ja keiner mehr so viel davon. Überhaupt scheint dieses „Geld“ etwas ungeheuer Wichtiges für die Menschen zu sein. Ich meine, angeblich gehen sie morgens aus dem Haus nur um Abends ein wenig mehr davon zu haben und wenn sie dann daheim sind, sind sie alle mürrisch und gestresst und wollen nur noch alleine sein. Vor allem jetzt, wo doch die ganzen Weihnachtseinkäufe anstehen…
War das nicht einmal anders? Früher, so habe ich gehört, hatte eigentlich keiner Geld und man schenkte sich Liebe und Geborgenheit, Freundschaft und vielleicht noch die ein oder andere Kleinigkeit – so wie selbstgestrickte, warme Socken – und vor allem wollte man all seine Lieben um sich haben, schließlich heisst es ja, dass mitten im Dezember das Fest der Liebe sein soll – habe ich gehört; so alt bin ich ja noch gar nicht. Es heisst auch, dass in der dunkelsten Nacht des Jahres das Licht in die Welt zurückkommt – das ist so ein gaaanz alter Brauch wo tatsächlich in der längsten Nacht sich alle versammelten und um Mitternacht wurde dann ein Licht angezündet. Früher soll das gar nicht so selbstverständlich gewesen sein – dass das Licht zurückkommt, meine ich. Da hatten es die Menschen noch nicht so warm wie heute und mit dem Essen waren sie auch darauf angewiesen, dass der Frühling wiederkam – und da war dieses Licht in der Mitte aller winterlichen Dunkelheit sehr wichtig; haben sie erzählt.
Ich bin erst vor ein paar Wochen hier in den Schrank gekommen. Neben all den Servietten, Luftschlangen und sonstigen Dekorationsartikeln wohnen hier noch andere wie ich – und die Christbaumspitze. Sie sagt sie wohnt hier weil die Familie sie so gern hat und im Karton mit all dem anderen Weihnachtsschmuck könnte sie zu leicht zerbrechen. Sie ist schon seit fast hundert Jahren bei der Familie, sagt sie. Und damals hat der Uropa sie aus seiner Heimat mitgebracht weil er ein Stück seines Zuhauses mitnehmen wollte als er im Krieg flüchten musste. So ist sie dann hierher gekommen und hat jedes Jahr den Weihnachtsbaum schmücken dürfen. Da hat sie natürlich all diese Geschichten gehört; woher Weihnachten kam, dass die Menschen nichts hatten und trotzdem glücklich waren und natürlich wurde da jedes Jahr von diesem Jesuskind erzählt. Als der geboren wurde brachte er nämlich das Licht in die Dunkelheit und deswegen rettet er die Welt. Jedes Jahr. Immer zu Weihnachten.
Wenn der wüsste, dass die Menschen heute meistens nicht mal mehr bis Mitternacht aufbleiben um auf sein Licht zu warten…
Im Vergleich zur Christbaumspitze bin ich ja ein junges Küken, gerade mal ein Jahr bin ich alt. Aber schön rot haben sie mich gefertigt und die Familie fand wohl, ich würde gut auf die adventliche Tafel passen zu den Zweigen und den Weichnachtsservietten. Heute morgen haben sie mich aus dem Schrank genommen und in den Halter gesteckt und gleich soll ich angezündet werden. Ich bin schon ganz aufgeregt…
Aber wenn doch sowieso keiner auf mich achtet weil alle so gestresst sind…?
Was, wenn keiner kommt weil doch alle so allein sein wollen?
Ach wisst ihr, ich leuchte einfach so hell ich kann, dann werden mich schon alle sehen, die mein Licht in ihrem Herzen brauchen – und vielleicht darf ich ja auch an Weihnachten das Licht in die Dunkelheit der Welt bringen…