Der Hunger nach Büchern
Ich gebe zu, ich bin ein Kind unserer westlichen Kultur – wie sollte ich auch anders? Ich liebe Bücher, ja. Aber auch technisches Spielzeug, ab und an fernsehen (lang ertrage ich es eh nicht), mein Laptop und meine CDs. Ich verbringe schon jeden Tag einige Zeit im Internet und habe das Glück, die Universität besuchen zu können.
In ihrer Nobelpreisrede Den Nobelpreis nicht gewinnen schreibt die diesjährige Preisträgerin Doris Lessing von ganz anderen Bibliotheken, von ganz anderen Verhältnissen, von Lehrern und Schülern in Afrika. Sie alle wollen nur eines: Bücher.
Bei uns liegen ganze Schulbibliotheken brach, stattdessen floriert das Internet, das Lessing stark kritisiert: „Wir haben es da mit einer unglaublichen Erfindung zu tun, Computer und das Internet und das Fernsehen, mit einer Revolution. […] Und ebenso wenig haben wir ein einziges Mal innegehalten und gefragt: Wie werden wir uns, wie wird sich unser Geist verändern durch dieses neue Internet, das eine ganze Generation mit seinen Belanglosigkeiten verführt hat, sodass selbst einigermaßen vernünftige Leute zugeben, dass man sich nur schwer losreißen kann, wenn man einmal süchtig ist, und es sein kann, dass auf einmal ein ganzer Tag mit Bloggen und Bluggen und so weiter vergangen ist.
Noch vor Kurzem hätte jeder einigermaßen gebildete Mensch das Lernen geachtet, die Bildung, und unserer großen reichen Literatur Achtung entgegengebracht.“ So wie in Afrika, wo nach Bildung noch gedürstet wird. So wie nach Wasser – und das zu oft wortwörtlich.
Und neben all den Paradoxa und Ungerechtigkeiten der Welt schreibt Lessing von dem Einen, das alle Schriftsteller eint: „…Schriftsteller werden oft gefragt: Wie schreiben Sie? Mit dem Computer? Einer elektrischen Schreibmaschine? Einem Federkiel? Mit der Hand? Die entscheidende Frage lautet aber: „Haben Sie den Raum gefunden, jenen leeren Raum, der Sie beim Schreiben umgeben muss? In diesen Raum, der wie eine Form des Lauschens, der Aufmerksamkeit ist, kommen nämlich die Worte, die Worte, die Ihre Figuren sagen werden, Ideen – Inspiration.“
Wenn dieser Schriftsteller diesen Raum nicht finden kann, werden Gedichte und Geschichten vielleicht tot geboren.
Wenn Schriftsteller miteinander reden, haben ihre Fragen immer mit diesem Raum zu tun, mit dieser anderen Zeit. „Hast du es gefunden? Hältst du es auch fest?“…“
Vermutlich füge ich gerade ein weiteres Paradoxon in die lange Reihe ein wenn ich zugebe, die Rede Doris Lessings im Internet gelesen zu haben und nun darüber blogge, doch wenn wir hier schon die Möglichkeiten haben, dann sollten wir sie auch vernünftig nutzen. Ich muss zugeben, die Rede hat mich an einigen Stellen wirklich zu Tränen gerührt. Weiters muss ich eingestehen, bislang von Doris Lessing nichts weiter gelesen zu haben und auch nicht damit anfangen wollte, nur weil sie jetzt einen Nobelpreis hat. Aber diese Rede hat mich tief beeindruckt. Ich neige mein Haupt, Frau Lessing.
2 Kommentare