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Artikel zu Klarnamenpflicht in der „Meins“

Eine Journalistin der Zeitschrift „Meins“ kontaktierte mich am 24. Februar, ob ich eine Expertinnenmeinung zur Klarnamenpflicht für die kommende Ausgabe schreiben könnte. Sie gab mir eine Länge von 500 Wörtern vor und ich schrieb einen Artikel in dieser Länge, für den ich im Übrigen kein Geld bekomme.

Abgedruckte Expertinnenmeinung in der „Meins“ vom 17. März 2021
Leider wurde der Artikel stark eingekürzt abgedruckt. Die zentralen Aussagen stimmen zwar, aber der Zusammenhang ist kaum noch erkennbar. Links der Screenshot, den ich vor Drucklegung bekam. Im Folgenden der originale Artikel.

Klarnamenpflicht

Die Idee klingt erstmal nachvollziehbar: Alle Menschen sind mit ihren im Personalausweis eingetragenen Namen auf sozialen Medien zu finden. Bei Verstößen wogegen auch immer sind alle leicht zu identifizieren und zu verfolgen. Härter als in der physischen Welt, wo wir nicht unseren Ausweis vorzeigen, wenn wir eine Straße betreten. Und die Frage ist, welches Problem überhaupt gelöst werden soll. Meist werden Hasskommentare hier zuerst genannt.
Ein Klarnamen-Szenario birgt eine Reihe an Problemen. Vorneweg die Annahme, wir hätten alle nichts zu verbergen. Gemeint ist, wir sind ja alle nicht straffällig vor dem Gesetz. Denn zu verbergen haben wir etwas, sonst könnten wir auch mit unserer Sozialversicherungs- und Kreditkartennummer angemeldet sein und in der Profilbeschreibung stünden Krankheiten, Allergien, Schulzeugnisse, die Sexualpartner der letzten Jahre …
Auch den Generalverdacht gegenüber der eigenen Bevölkerung und unseren Nachbarn kann man durchaus schwierig finden.

Es gibt eine Menge Menschen, die aus guten Gründen nicht immer und überall unter Klarnamen auftreten. Frauen, die gerade aus Gewaltbeziehungen in ein Frauenhaus geflüchtet sind, beispielsweise. Die von ihrem Exmann oder einem Fremden gestalked werden. Auch diese Frauen haben ein Recht, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen und zeitgleich auch auf ein ungefährdetes Leben. Dasselbe gilt für Menschen, die heikle Themen im Netz recherchieren und die Frage nach Brustkrebs vielleicht nicht als Astrid Huber aus Sindelfingen in einem Gesundheitsforum stellen möchten.

»Datenschutz« klingt staubig und in der öffentlichen Debatte wird er oft als der Verhinderer von allem dargestellt, was uns als Gesellschaft weiterbrächte. Tatsächlich ist es auch ein anderes Wort für Minderheitenschutz. Menschen, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft zählen oder auch nur in Teilen ihres Lebens nicht ganz mit dem Strom schwimmen, sind Teil unserer Gesellschaft und haben dieselben Rechte wie der Rest. Meinungsfreiheit ist eines davon. Wir alle haben das Recht, Fragen zu stellen, uns auszutauschen, die eigene Meinung in einem öffentlichen Forum zu vertreten. Es werden aber ganze Gruppen vorverurteilt gerade wegen ihrer im Pass stehenden Namen. Der Kommentar einer Fatima wird eher abgetan und überlesen als der einer Marianne oder eines sternchen86.

Eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahr 2016 zeigt, dass Menschen, die unter Klarnamen im Netz sind, tatsächlich mehr Hasspostings veröffentlichen als jene, die unter Pseudonym auftreten. Und das Klima ist in den letzten fünf Jahren nur rauer geworden.
Hier kommen wir dem Problem, das es zu lösen gilt, deutlich näher. Es ist die Unverfrorenheit und Dreistigkeit, mit der heute Hass und Hetze – ganz besonders unter Klarnamen – im Netz verbreitet werden. Menschen haben keine Angst davor, für Hasskommentare bestraft zu werden. Es ist normal geworden, als Liesel Schmidt zu hetzen.

Eine Klarnamenpflicht wird unser Problem nicht lösen. Meines Erachtens brauchen wir eine Erneuerung der Debattenkultur. Dazu sollten wir zuerst wieder lernen, zuzuhören, statt nur darauf zu warten, dass das Gegenüber endlich den Schnabel hält, damit man seine eigene Meinung kundtun kann. Wir müssen weg von der Emotionalität hin zu einer sachlichen Diskussion, wie wir zusammen leben wollen. Zuhören, verstehen und in einen echten Austausch kommen. Und eingestehen, dass »agree to disagree« durchaus ein valides Ergebnis einer Diskussion sein kann.

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