No dragons in this dungeon.

Erfahrungsbericht: Dragon Professional Individual for Mac (v6)

Nachdem ich von so vielen AutorenkollegInnen gehört hatte, dass sie ihre Bücher diktieren und das ja so super und flink ist und nach nur etwas Eingewöhnung unfassbare Wortzahlen pro Tag zusammenkommen, dachte ich mir, es wird Zeit, dass ich das auch mal (wieder) probiere. „Wieder“ deshalb, weil ich Dragon Naturally Speaking vor ca. 10-11 Jahren schon einmal am Start hatte, aber damals nicht damit klargekommen bin. Damals hatte ich noch einen Windows Standrechner – zwei Dinge, die mir aus aktueller Sicht nie wieder ins Haus kommen werden. Aber das ist ein anderer Punkt.

Zurück zu Dragon. Im Sommer bin ich über ein eBook gestolpert: The Writer’s Guide to Training Your Dragon von Scott Baker. Vom selben Autor gibt es auch Quick Cheats for Writing With Dragon. Beides klang grundsätzlich super und bestätigte – zumindest schriftlich -, was die KollegInnen über’s Jahr so erzählt hatten. Allerdings warnte der Autor vor der Mac Version, dass diese ein Sündenpfuhl an Bugs wäre und vollkommen unausgereift und frustrierend. Er schlägt im Buch vor, sich am Mac eine virtuelle Umgebung (oder duales System) mit Windows aufzusetzen, wenn man mit Dragon am Mac arbeiten möchte, da es weltenweite Unterschiede zwischen der Mac und Windows Version von Dragon gibt. Nachdem ich um’s Verrecken nie wieder ein Windows benutzen werde und nicht einsehe, eine zusätzliche Softwarelizenz für Windows zu kaufen um dem Saftladen noch Geld hinterherzuwerfen, entfiel diese Option für mich schon im Ansatz. Schade eigentlich, denn so passierte Folgendes:

Ich surfte auf die Website des Dragon Herstellers Nuance. Ich wagte mich auch bis zum Warenkorb vor. Ich füllte das Bestellformular aus und … kam nicht zum Absenden, weil etwas dazwischenkam. Gut, also am nächsten Tag bestellt. €299,- gingen an Nuance. Als nächstes kam eine eMail mit der Aufforderung, meinen Kauf (vom Vortag) abzuschließen. Ja, an dieselbe Mailadresse, mit der ich kurz zuvor den Kauf getätigt hatte.

Ich kämpfte derweil mit dem Downloader, der mir nach dem Kauf zur Verfügung gestellt worden war, um damit dann _das eigentliche_ Produkt herunterzuladen. Immerhin fühlte ich mich wieder jung, so Endneunziger, wie diese Technologie ist. Ich hab zwischendrin mehrfach auf den Kalender geschaut, ja es ist 2017. War es wider Erwarten auch noch immer, nach vier (4!) Abbrüchen des Downloads (bei einer immerhin 250mbit Leitung mitten in Wien) und in der Hilfe nachlesen müssen, wie ich ihn neu starten kann. Hinweis: man muss den kompletten Downloader neu starten.

Nachdem ich nach gut einer Stunde also endlich dazu kam, den Installer zu starten, kam der Punkt „Account erstellen“. Aha? Wozu? Die Spracherkennung sollte lokal bei mir am Rechner stattfinden. Wozu also will das Programm mit dem Hersteller reden? Für Updates kann es ja auch so mit dem Server kommunizieren und ich hab ja schon einen Account für den Kauf angelegt. Aber: es wollte einen Account. Next: Passwort MAXIMAL 12 Zeichen, keine Sonderzeichen oder Symbole erlaubt. Ich schaute nochmal auf den Kalender. Noch immer f*cking 2017. Unter 14 Zeichen ist grob fahrlässig, ab 30 Zeichen kann man drüber reden, von sicher zu sprechen. Und Passwordkeeper sind jetzt auch nicht die neueste Erfindung. (Das hab ich dem Hersteller im Übrigen genauso auch mitgeteilt.) Aber damit noch immer nicht genug: Um die Registrierung abzuschließen, muss man zwingend (!) ein Häkchen für „Werbung akzeptieren“ anklicken. No way out. Letztklassig. Also habe ich den Account _nicht_ angelegt.

Screenshot auswählbarer Mikrophone
Mikrophonauswahl
Vielleicht war das der Grund, dass das angeschlossene Bluetooth Headset nicht einmal auswählbar war. Ja, Scott Baker schreibt, keine Bluetooth Headsets verwenden, die Verbindung ist nicht gut genug für Spracherkennung. Point taken. Aber ich hatte zu dem Zeitpunkt nur ein einziges kabelgebundenes Headset da, und das war das Ding, das mit dem iPhone mitgekommen war. Und das ist laut Baker noch schlechter als Bluetooth. Dafür ist letzteres bei mir immerhin ein Bose QC35, das ich mir gegen labernde Kollegen im Büro zugelegt habe und das tut grundsätzlich sehr brav und hat eine sehr gute Klangqualität – zumindest was das Hören betrifft. Da hätte ich gerne den Versuch gewagt, mir die Unterschiede zwischen nicht so geilem Kabel-Headset und gutem Bluetooth-Headset selber einmal anzusehen. Ging aber nicht. Das Gerät wurde angezeigt, war aber nicht auswählbar. Das ist entweder ein Bug oder eine Frechheit. Überhaupt war die Auswahl, welches Gerät man benutzen möchte (oder überhaupt kann), schleppend langsam und erscheint eher zufällig zu funktionieren. (Ja, auch das habe ich dem Hersteller so mitgeteilt in der Hoffnung, dass sie da nachbessern, vielleicht möchte ich es ja noch einmal probieren.)

Nachdem die Hardware, mit der ich Dragon gerne verwenden wollte, erst am Montag drauf ankam, war ich mittlerweile dermaßen frustriert, dass ich die Software direkt zurückgeben wollte. Also schrieb ich eine eMail an den EU-Support. Es passierte 3 Tage nichts.

Ich leitete die eMail weiter an eine weitere Supportadresse, die ich irgendwo in den Untiefen der Herstellerseite fand.

Dann hatte ich am nächsten Tag sieben (7!) eMails vom Hersteller am Stück. Zwei Incidents zur Rückgabe und einen „lost password request“, den ich selber nie angestoßen habe.

eMails Screenshot
eMails von Nuance

AL-TER SCHWEDE.

Wie dieses Unternehmen überhaupt noch existieren kann, ist mir ein Rätsel. Immerhin habe ich bereits die Nachricht bekommen, dass die €299,- zurückerstattet werden. Mal sehen, wann das Geld dann auch tatsächlich ankommt.

Vielleicht versuche ich es mit der nächsten Version noch einmal. Aber DAS ist jedenfalls NICHT das Erlebnis, das ich mir bei einer 299-Euro-Kaufsoftware für Mac erwarte. Ich bin von Apple alleine ein deutlich besseres Usererlebnis gewohnt, das erwarte ich dann auch von einem für den Mac produzierten Programm. Überhaupt würde man meinen, dass die Hersteller einer Spracherkennungs-Lösung mehr als Ärzte und Juristen auf dem Schirm haben sollten – Kreativ Schaffende zum Beispiel. Und die neigen durchaus zur Nutzung von Apple Produkten. Seit den 1990ern.

Fazit: 0 Sterne.

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