Notwendigkeiten?
Wo ich gerade dabei bin, ein Referat für die Uni auszuarbeiten, fiel mir just eine Frage ein, die mir im Winter gestellt worden war und mit deren Beantwortung ich mich damals sehr schwer tat ob der misslichen Formulierung: Ist die christliche Gemeinschaft für unsere Gesellschaft notwendig?
Mein spontaner erster Gedanke hat sich bis heute gehalten – die Menschheit ist in quasi all ihren Gesellschaftsformen schon so ziemlich mit und ohne allem ausgekommen:
- mit Krieg – ohne Essen
- mit König – ohne Rechte
- mit Jagen & Sammeln – ohne Reierung
- mit Wirtschaft & Geld – ohne Skrupel
- …
Ob da eine fiktive Gemeinschaft von Gläubigen eines bestimmten Kultes / einer bestimmten Religion nun als notwendig bezeichnet werden kann, finde ich sehr schwer vertretbar. Was es, um der nachträglichen Beantwortung der Frage einmal annähernd Genüge zu tun, allerdings über die gesamte Menschheitsgeschichte durchgehend gab und gibt, ist eine gewisse Form von Kult und Glaube. Es scheint, als seien beide – und letzerer noch mehr – eine archetypische menschliche Veranlagung. Wie allerdings die jeweilige Religionsform aussieht, wenn denn dann eine existiert, ist eine ganz andere Frage.
Eine Gesellschaft ohne Glauben ist eine Gesellschaft ohne Werte.
Wenn wir keine Werte haben, wird es kein menschliches Zusammenleben geben. Denn alle Rechte, die wir haben; alles, was an den Gerichten heute verhandelt wird, war einst Gewohnheitsrecht. Und diese Werte mussten den Menschen gegeben und für deren allgemeine Einhaltung gesorgt werden.
Nehmen wir einmal an, die Römer hätten überlebt und es gäbe heute noch die römische Religion sowie das römische Imperium, dann würden wir bis heute glauben, in den einzelnen Naturereignissen würden Gottheiten wohnen. Wir hätten die Verehrung menschenähnlicher Gottheiten, die für unser Handeln eintreten und uns auf dem rechten Weg leiten. Wir bräuchten also nicht für unser eigenes Handeln zu sorgen. Zudem war die römische Judikative politischer als unsere heutige. Bedeutet: wir hätten einen Staat, in dem jeder tun und lassen kann, was er will, solange er die römische Obrigkeit anerkennt.
Das mag vielleicht solange funktionieren, solange es keine festen und vor allem großen Gemeinden gibt. Doch wir leben in einer Zeit, in der wir in manchen europ. Ländern 82 Millionen Einwohner und mehr haben. Wir haben eine Ellbogen-Mentalität, in der sich jeder selbst der Nächste ist.
Hätten wir nicht gelernt, auf die christlichen Werte wie Nächstenliebe, Feindesliebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu hören, wir hätten kaum noch eine Möglichkeit, friedlich zusammen zu leben.
Zudem darf man nicht vergessen, dass sich Menschen schon immer durch einen gemeinsamen Glauben verbunden gefühlt haben. Sie haben gemerkt, dass sie etwas verbindet. Warum sollten wir uns denn heute einem anderen Christen verbunden fühlen in der Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Judentum, wenn nicht aus Identifikation?
Selbst wenn wir Christen heute lange nicht mehr so streng an die Worte der Bibel glauben, wie die Juden in ihre Thora oder die Moslems in den Islam, so schöpfen wir daraus doch unser Bewusstsein und unsere Geschichte.
Da sich alles bis in Kleinste darum dreht wo wir her kommen, wer wir sind und wohin wir gehen, so ist es wichtig, dass wir uns unserer Tradition bewusst sind, dieser treu sind und sie nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Und darum glaube ich fest, dass unsere westliche Gesellschaft, wie jede andere Gesellschaft auch, nicht ohne Glauben existieren kann.
Genau. Ohne Glauben kann kein Individuum bestehen, daher auch keine Gesellschaft. In einer Gesellschaft herrschen Konventionen und Gesetze und das, was einst von der Kanzel gepredigt wurde, ist längst in die westliche Gesetzgebung eingegangen und wird seither durch eine andere Institution durchgesetzt. Die christliche Gemeinschaft als Institution ist damit auf regulativer Ebene obsolet geworden, an ihre Stelle sind unsere Gesetze getreten, die ebenfalls das Zusammenleben in der Gemeinschaft regeln wie zuvor die Bibel und die Priester oder die 10 Gebote) in der jüdischen Gesellschaft. Unangetastet bleit allein der Glaube, unabhängig von der Religion.