Ich erinnere mich ...
Eine Spontanfolge beim sonntäglichen Schreibtreffen. Nina Dreist brachte die Joe Brainard Übung mit und wir alle schwelgten in Erinnerung. For science! 😉
Musik: Adam Selzer, „Vintage News“
Shownotes:
Links:
Nina Dreist
Petra K. Gungl
Brigitte Lüth
Klaudias Patreon-Profil
Joe Brainard: I remember (Ich erinnere mich)
Stephen King: On writing (Das Leben und das Schreiben)
Aldous Huxley: Brave new World (Schöne neue Welt)
NaNoWriMo
PrivacyWeek 2017
Notizen:
Heute mit dabei: Nina, Regine, Birgit, Petra, Brigitte und ich.
Schreib darüber, womit Du Dich auskennst.
-> Wenn wir das alle täten, kämen deutlich weniger Bücher auf den Markt.
Wir recherchieren, wir tauchen in neue Themengebiete ein – und wenn wir ein Buch darüber schreiben, gibt es immer die Experten, die uns – zu Recht! – darauf aufmerksam machen, dass wir da noch den ein oder anderen Fehler in der Story haben.
Aber eins gibt es, damit kennen wir uns alle aus: mit dem Leben an sich; und zwar aus unserer jeweils eigenen Sicht.
Unsere Erfahrungen prägen unsere Geschichten. Zwangsläufig. Und unsere eigene Gefühlswelt prägt, wie wir die Geschichten erzählen.
Heute beim monatlichen Treffen der Schreibgruppe hat uns Nina Dreist eine Übung mitgebracht: Ich erinnere mich … (Joe Brainard Übung)
Übung 1: Freischreiben, aber jeder Satz beginnt mit „Ich erinnere mich …“
Ziel: Kreativität in Schwung bringen und Bilder im Kopf des Lesers entstehen lassen
Freischreiben / Morningpages
konkret, wenig Adjektive
10 Minuten am Stück
Übung 2:
Eine der Erinnerungen hernehmen und daraus eine Szene machen.
10 Minuten am Stück
***
Je persönlicher eine Anekdote ist, desto allgemeingültiger ist sie auch.
Stephen King: On writing (Das Leben und das Schreiben)
Closed Door vs. Open Door: Die erste Fassung ist bei geschlossener Tür geschrieben, hier schreibst Du das Buch nur für Dich. Das Überarbeiten wird bei offener Tür gemacht. Mach die Tür bewusst auf, überarbeite für Deine Leser.
Adjektive sind Faulheit. Wenn schon, dann sollte man sie gezielt verwenden. Denn zu viele Adjektive lassen einen Text schnell banal erscheinen. Konkret beschreiben hingegen macht lebendig.
„Wenn Du nichts zu sagen hast, schreib’s nicht auf.“ (Aldous Huxley: Brave new World (Schöne neue Welt))
Wenn Du mit kreativem Schreiben beginnst, vergiss alles, was Du in der Schule als Schreiben gelernt hast. Beim kreativen Schreiben lernt man das Schreiben von vorne neu. In Frankreich, England und den USA sind sie uns da deutlich voraus.
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Hier meine Ausbeute der ersten 10 Minuten …
Ich erinnere mich an mein gelbes Motorrad – mit dem Tankdeckel, der beim Entfernen den Blick freigab auf den gesamten Innenraum – mit Gras und Tannenzapfen, Zweigen und kleinen Kieseln, die ich darin beförderte, wenn ich die Steinplatten des Weges in Omas Garten hinuntersauste.
Ich erinnere mich an den Mirabellenbaum – der süße Duft der gelben Früchte, rotwangig im Sommersonnenschein – Wespen, die uns die Früchte streitig machten, als wir den rauen Stamm hinaufkletterten.
Ich erinnere mich an meinen Großvater, auf dessen Füßen ich stand – gemeinsam tanzten wir Walzer im kleinen Wohnzimmer, das damals das Zentrum meiner kleinen Welt war mit dem dunkelblauen Teppichboden; manchmal bauten wir aus Schirmen, Sesseln und Decken Höhlen darin.
Ich erinnere mich an den neonpinken Badeanzug mit den neongelben Schleifen, den ich trug im ersten heißen Sommer mit 30 Grad. Ich lief barfuß den heißen Bürgersteig entlang von Omas Haus bis zur alten Schule, dann Gemeindeverwaltung, wo meine Mutter arbeitete.
Ich erinnere mich an mein erstes Smartphone, ein iPhone 3 GS – wie ich die Schachtel öffnete, krank im Bett, und es mir entgegen glänzte.
Ich erinnere mich an den Tag, an dem ich die Zulassung zum Doktorat an der Universität Wien erhielt, jubelnd durchs Haus meiner Eltern lief und meine Mutter sich mit mir freute – zugleich traurig war, dass ich bald 1.000 Kilometer weg sein würde.
Ich erinnere mich daran, wie ich mit meinem grünen Kinderfahrrad den kleinen Hügel vor dem Neubau an der alten Schule hoch und runterfuhr, schneller, schwungvoll, die Haare, die im Wind wehten.
Ich erinnere mich, wie wir mit Plastiktüten zur Baumbutze liefen, erwartungsvoll, ob auch genug Schnee den Weg zwischen den Ästen und Zweigen auf den Boden gefunden hatte, dass wir zwischen den Stämmen den Hügel hinabrutschen könnten.
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