Ich weiß, was Du letzten Sommer gelesen hast!

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Dies ist eine Cross-Over-Folge des Literaturcafé und des Vienna Writer’s Podcast. 🙂
Das entsprechende Pendant findet Ihr unter literaturcafe.de.

Von 23. bis 29. Oktober 2017 beschäftigt sich die PrivacyWeek in Wien mit den Daten und Datenspuren, die wir online und offline hinterlassen. Die Konferenz wird veranstaltet vom Chaos Computer Club Wien (C3W).

Gemeinsam mit Klaudia Zotzmann-Koch spricht Wolfgang Tischer vom Literaturcafé darüber, welche Daten beim Kaufen, Lesen und Kritisieren von Büchern entstehen. Wer hat die Kontrolle darüber, und welche Erkenntnisse lassen sich daraus gewinnen?

Der Vortrag fand am 26. Oktober 2017 um 17.15 Uhr im Wiener Volkskundemuseum statt. Er wurde live per Stream übertragen und ist jetzt auch als Video und Podcast-Folge verfügbar.

Credits:

Sketchnote: Jana (Twitter: @jasowies_o) October 26, 2017

Shownotes

Links:
PrivacyWeek
Chaos Computer Club Wien
Video auf der Website media.ccc.de des Chaos Computer Clubs eV

Die Themen in 3 Kapiteln

In rund einer Dreiviertelstunde wurden am 26. Oktober 2017 drei Kapitel erörtert:

    Kapitel 1 – Buchhändler, Lesegeräte und Daten
    Kapitel 2 – Leser, Autoren und Daten
    Kapitel 3 – Wie öffentlich muss ein Autor sein?
@jasowies_o Sketchnote zu "Ich weiß, was Du letzten Sommer gelesen hast!"
@jasowies_o Sketchnote zu „Ich weiß, was Du letzten Sommer gelesen hast!“

.@KZotzmann und @Literaturcafe über ebooks#pw17 #sketchnotes pic.twitter.com/vcUsmsaJlC

— Jana (@jasowies_o) October 26, 2017

Notizen

Das Folgende ist keine Transkription des Vortrags, vielmehr sind es die vorab getätigten Notizen, die die Basis für den Vortrag darstellten. Sie sind nicht immer komplett ausformuliert, bilden aber eine gute Informationsbasis und enthalten zum Teil weitere Hinweise, die aus Zeitgründen im Vortrag selbst alle gar nicht untergebracht werden konnten.

Kapitel 1 – Buchhändler, Lesegeräte und Daten

Bücher online bestellen und kaufen oder gleich als E-Book direkt runterladen – ein ungestörtes Lesevergnügen? Was verraten wir als Leser den Buchhändlern unseres Vertrauens über uns und unsere Lesevorlieben? Und was plaudern unsere digitalen Lesegeräte obendrein noch aus?

Lesen ist eigentlich eine anonyme Angelegenheit. Man kann anonym Bücher kaufen und lesen wann und wo man will. Das ändert sich mit elektronischen Lesegeräten. Es soll in diesem Vortrag jedoch nicht darum gehen, ob Papierbücher besser sind als Lesegeräte. Wir beziehen uns ausschließlich auf die Daten, die fließen oder fließen könnten und wer was damit machen kann oder könnte. Natürlich gibt es über diesen Bereich keine genauen Zahlen, weil die Shops und Anbieter nicht sagen, welche Daten sie wie erheben und nutzen. Wir gehen nicht auf die Fragen ein, ob eine gewisse Nutzung legal ist. Im Zweifelsfall ist davon auszugehen, dass die Daten erhoben und genutzt werden. Amazon ist hierbei ohne Frage schon weiter als andere Plattformen wie Tolino.

Eine Umfrage der Tolino-Allianz aus dem Jahre 2014 ergibt: 84% der E-Books werden in Deutschland bei Amazon (39%) oder bei den Buchhändlern der Tolino-Allianz (45%) gekauft. Weitere bekannte E-Book-Händler sind Apple und Google.

Die Tolino Hard- und Software wurde bis Anfang 2017 von der Deutschen Telekom verantwortet. Anfang 2017 hat die Telekom beides an Kobo verkauft. Kobo hatte bislang in Deutschland nur einen Anteil von rund 5% am E-Reader-Markt. Kobo ist ein kanadisches Unternehmen, das wiederum 2011 vom japanischen Rakuten-Konzern gekauft wurde. Die Marke Tolino soll für den deutschen Markt erhalten bleiben, es ist jedoch davon auzugehen, dass die Hardware und schleichend auch die Software an die international vertriebenen Kobo-Geräte angepasst wird. Mit Übernahme der Hard- und Software ist davon auszugehen, dass das User-Tracking auch auf dem Tolino ausgeweitet wird, wie Kobo dies seit Jahren macht.

https://www.buchreport.de/2015/02/06/kaufen-ist-nicht-gleich-lesen/

Nutzerprofile können aus dem Surf- und Kaufverhalten im Shop gewonnen werden. Der Kauf von Büchern und E-Books kann für das Profil kumuliert werden. Bei den Buchhändlern der Tolino-Allianz (Thalia, Weltbild, Hugendubel, Osiander …) ist die Hardware-Plattform Tolino zwar identisch, doch da es sich um konkurrierende Unternehmen handelt, werden keine Daten zwischen den Unternehmen fließen. Allein die gemeinsame Hardware musste kartellrechtlich ausgelotet werden. Bei Amazon ist dies anders, hier sind alle Dinge eng verzahnt. Neben den Buchkäufen fließen auch die Kaufdaten andere Produkte mit ein. Zusätzliche Dienste und Angebote wie Kindle Unlimited, Amazon Music, Prime Video, Audible oder Alexa erhöhen bei Amazon die Menge der auswertbaren Daten.

Die Meinungs- und Diskussionsplattformen Goodreads (Bücher) und IMDB (Filme, Serien) gehören ebenfalls zu Amazon. Auf den amerikanischen Kindle-Geräten ist Goodreads bereits integriert. Goodreads kann via Web zwar in Österreich und Deutschland genutzt werden, noch gibt es aber keine deutschsprachige Oberfläche und die Integration auf den Geräten steht noch aus. Eine im deutschsprachigen Raum sehr verbreitete konkurrierende Leseplattform mit Schwerpunkt unterhaltende Belletristik ist Lovelybooks, die wiederum zum Holtzbrinck-Konzern gehört. Dazu später mehr.

Was weiß Amazon / Kobo / Tolino (Thalia, Weltbild, etc.) / … von mir als Leser?

  • Surf- und Kaufverhalten (Web, Mobil)
  • Was schaue ich mir an? Was kaufe ich tatsächlich? Und was schaue ich mir wie oft an, bevor ich es kaufe?
  • Neben Belletristik lässt sich aus Sach- und Fachbüchern viel über Nutzer aussagen
  • Amazon Wunschzettel sind oft unbeabsichtigt für alle einsehbar
  • Rechnungsdaten/Kontodaten
  • Adresse
  • Adresse von Bekannten und Verwandten, denen ich Bücher schicke
  • Meinung zu Büchern bei Produktbewertung/-rezension

 

Wo und wie kaufe ich Web, Mobil, direkt auf den Geräten?
=> Eine leichte Unschärfe ergibt sich, wenn ich für Freunde/Bekannte zu einem Thema Recherchiere bzw. Bücher als Geschenk kaufe (und dies nicht durch Geschenkverpackung oder andere Versandadresse ersichtlich ist)

Direktes Kauf- und Leseverhalten auf dem E-Reader

  • Welche Bücher lese ich?
  • Welche Bücher leihe ich digital aus?
  • Wann lese ich?
  • Wie schnell lese ich?
  • Auf welchen Geräten lese ich (Lesefortschittsynchronisation über die Geräte hinweg)?
  • Welche Bücher lese ich bis zum Ende?
  • Was habe ich überblättert und was mehrfach gelesen?

Amazon hat speziell bei Self-Publishern die geliehenen Bücher zunächst nach Stückzahl vergütet, nach Manipulationen die Zählung aber auf gelesene Seiten umgestellt. Um die unterschiedlichsten Bücher einheitlich abzurechnen, hat Amazon für gelesene Seiten den Wert KENPC (Kindle Edition Normalized Page Count) eingeführt.

  • Welche Textproben habe ich runtergeladen, die Bücher aber nie gekauft?
  • Welche Textstellen empfehle ich weiter (Facebook, Twitter …)?
  • Wo bin ich (GPS, WLAN): Lese ich als Pendler oder im Urlaub mehr?
  • Welche Textstellen markiere ich und welche Textstellen markieren andere?

Anhand der oft markierten Textstellen hat der Mathematiker Jordan Ellenberg im Jahre 2014 im Wallstreet Journal eine Liste der am wenigsten zuende gelesenen Bestseller veröffentlicht
https://www.wsj.com/articles/the-summers-most-unread-book-is-1404417569

Die Anti-Hitliste der Bücher, die am wenigsten zu Ende gelesen werden

Wie hat mir das Buch gefallen? Bewertung am Leseende oder Leserkommentar
Amazon filtert Fake-Rezensionen aus
Goodreads-Integration im deutschsprachigen Raum erhöht die Wertungsdaten (Einführung unbekannt)
Mit Alexa entstehen zusätzliche Sprachprofile
Erweiterte Alexa-Funktionen für Österreich und Deutschland erlauben Telefonate und SMS und somit Zugriff auf Kontaktdaten
Und nicht auszuschließen: Welche anderen Daten habe ich noch auf dem Gerät (ggf. sogar als (unberechtigte) Kopie)?
Traditioneller Buchhändler weiß ebenfalls, was ich lese, oft über Gespräche im Laden auch wer ich bin, Lebensumstände, Ratgeberbücher, Bekanntenkreis (bei Geschenkkauf) etc. (Weiß aber nur er, außer er ist die Tratschtante vom Ort.)

 

Kapitel 2 – Leser, Autoren und Daten

Welche privaten Daten unserer Leser haben wir als Autoren eigentlich, welche haben Dritte? Wo werden sie gespeichert, und auf welche davon hat ein Roman- oder Sachbuchautor selbst überhaupt Zugriff? Wie kann man die vorhandenen Daten sinnvoll nutzen? Und welche gebe ich als Autor von mir selber preis?

  • Facebookseite / Profil
  • Freunde / Fans
  • Name
  • Alter, Geburtsdatum
  • Mailadresse

=> Facebook hat mehr Daten über die Nutzer als der Inhaber der Seite

Newsletter

  • Mailadresse
  • ggf. Name
  • Öffnungsrate des Newsletters und Klick auf Links

=> Wird der Newsletter über die populären Anbieter (z. B. Mailchimp) versendet, entstehen dort kumulierte Nutzerprofile über unterschiedliche Versender hinweg

Gewinnspiele

  • Mailadresse
  • Name
  • Adresse
  • ggf. Geburtsdatum

Eigene Website/Blog
Übliche Web-Statistiken (Visits, Views, abgerufene Inhalte, Regionen, technische Ausstattung, Referrer …)
=> Bei Nutzung einer Auswertungssoftware von Dritten (z. B. Google Analytics), besteht seitens des Anbieters die Möglichkeit, Daten über mehrere Websites zu kumulieren
=> Das Gleiche auch beim Einbau von Widgets, Social-Media-Buttons, Webfonts etc.
=> D. h. Social Media Anbieter und andere Dienstleister haben mehr übergreifende Daten von ähnlichen oder konkurrierenden Websites als die Seitenbetreiber.

Daten von Shops/vom Verlag
Gerade Verlagsautoren haben oftmals wenig Daten über Ihre Buchverkäufe. Beliebt ist daher das regelmäßige Prüfen des Amazon-Verkaufsrangs als Indikator.
Websites wie novelrank.com versuchen anhand von Amazon-Rang und empirischen Vergleichsdaten Verkaufsdaten zu berechnen.
Speziell nachdem Amazon den Self-Publishern Abverkaufszahlen in Echtzeit liefert, sind einige Verlage dazu übergegangen, die Abverkaufszahlen in speziellen Autorenportalen anzuzeigen. Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen, da speziell im stationären Handel die Rücksendung unverkaufter Exemplare üblich ist (Remission), was die Daten später unangenehm verändern kann.
Eine differenziertere Auswertung der Daten von Shops oder von E-Readern erhalten in der Regel weder Autoren noch Verlage.

Welche Daten geben Amazon & Co. an Selfpublisher weiter?
Einen gewissen Sonderstatus haben Self-Publisher bei Amazon, denen Amazon detaillierte Daten über Verkaufszahlen, Verleihzahlen (gelesene Seiten) und Umsätze nahezu in Echtzeit bereitstellt. Einsichten in das Leseverhalten der Leserinnen und Leser wie sie oben in Kapitel 1 dargestellt worden sind, gewährt Amazon leider nicht. Häufig markierte Stellen kann der Autor selbst auf Kindle-Reader oder App nachschauen.
Auch Anbieter Tolino Media weist Verkaufszahlen und Einnahmen aus, jedoch organisatorisch bedingt immer mit einer gewissen Verzögerung, da die Daten von den einzelnen Shops zurückgemeldet werden müssen.

Daten von Lesercommunities
Um mit Lesern in Kontakt zu kommen, gibt es spezielle Lesecommunities. Hier kann man sogenannte »Leserunden« veranstalten d. h. Diskussion zum eigenen Buch auslösen, indem man es gemeinsam liest, Gewinnspiele veranstaltet etc.
International ist Goodreads am bedeutendsten, 2006 gegründet und 2013 von Amazon gekauft. Die Plattform kann zwar auch im deutschsprachigen Raum genutzt werden, offiziell bietet Goodreads noch keine deutschsprachige Benutzeroberfläche.
In Deutschland überaus populär ist Lovelybooks, Schwerpunkt ist hier der Bereich der Unterhaltungsliteratur. Lovelybooks ist ein Unternehmen des Holtzbrinck-Konzerns. Autorinnen und Autoren können auch hier Leserunden und Gewinnspiele veranstalten. Auf diese Weise erfährt man die Gewinneradressen und hat Einblicke in die Profile der Leser.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Foren und Communities für Leser. Hier sieht man in üblicher Art und Weise die Daten, die die Forenmitglieder von sich preisgeben.

Kapitel 3 – Wie öffentlich muss ein Autor sein?

Als Self-Publisher die eigene Buchdatei auf Amazon und Co. selbst anbieten und mit Leserinnen und Lesern via Blog, Newsletter und Social-Media-Kanälen in Kontakt bleiben. Das alles gehört untrennbar zum heutigen Leser- & Autorendasein. Doch wie öffentlich muss ein Buchautor, eine Buchautorin heute tatsächlich sein, um erfolgreich am Buchmarkt überleben, also Bücher verkaufen zu können?

Autorinnen und Autoren (auch Verlagsautoren) können sich bei authorcentral.amazon.de anmelden und sich als Autorin/Autor seiner Bücher outen. Nach einer Prüfung kann man dann den offiziellen Amazon-Verkaufsrang auch rückwirkend einsehen und die Leserkommentare kumuliert ansehen. Weitere Dateneinsichten gewährt Amazon nicht.
Wenn ich bei Amazon veröffentliche und für Verkäufe über amazon.com keine Quellensteuer zahlen möchte, muss ich meine Steuerdaten an US-Behörden übermitteln.
Impressumspflicht auch für Self-Publisher: In Deutschland auf Länderebene geregelt. Grob lässt sich sagen, dass via Impressum eine ladungsfähige Adresse ermittelt werden können muss. Hier ergibt sich ein Problemfeld, wenn die Autorin/der Autor aus welchen Gründen auch immer die Adresse nicht preisgeben will oder unter Pseudonym schreibt. Impressumsdienste sind eine wackelige Angelegenheit. Wie zuverlässig sind sie, wie juristisch haltbar ist ihre Arbeit und wird es sie über einen längeren Zeitraum geben? Sauberste Lösung: Ausweichen auf einen Distributor (z. B. BoD), der wie ein Verlag agiert und dessen Adresse dann im Buch zu finden ist. Daten sind dann beim Distributor hinterlegt.

»Braucht« man Social-Media-Profile, Newsletter, Website, etc., um heute ein erfolgreicher Autor/Selfpublisher zu sein?
Diskussion: Die eindeutige These lautet: Ja. Und das gilt nicht nur für Self-Publisher. Speziell im Bereich der unterhaltenden Literatur wird die Leserinnen-Autorinnebindung immer wichtiger, es entsteht eine Art Fantum, wie bereits bei YouTubern verbreitet.
Umso wichtiger ist es, bei Posts darauf zu achten, welche Daten man freigibt. Man muss sich der »Rolle« der Autorin bzw. des Autors bewusst sein. Die Gefahr besteht, dass man ggf. ungewollte Info preisgibt über die Familiensituation (»Ich schreibe immer dann, wenn die Kinder im Kindergarten sind.«) oder andere private Dinge (z. B. unbeabsichtigter Hintergrund bei einem Buchfoto oder private Dinge am Schreibtisch). Auch andere Nutzer können unbeabsichtigt Dinge preisgeben, die man nicht preisgeben will (»Hey, ich gratuliere dir ganz herzlich zu deinem runden Geburtstag!«)

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